GuardiaN - zwischen Gipfel-Duell mit kennyS und dem Tal der Major-Niederlagen

Geposted von EddieCochran,
Der CS-Pofi Ladislav 'GuardiaN' Kovács kämpft sich von der slowakischen Provinz in die besten Teams der Welt. Ein großer Traum bleibt in seiner Karriere bisher unerfüllt. Irgendwann übermannten GuardiaN die Gefühle. Tränen rannen über sein Gesicht und er pustete einmal kräftig durch, bevor er sich den Fragen von Paul 'ReDeYe' Chaloner stellen konnte. Soeben hatte der Slowake im Brooklyn's Barclays Center die ESL One: New York 2016 mit seinem Team Natus Vincere gewonnen. Der erste große Titel in seiner Karriere. GuardiaN war im Finale statistisch der beste Spieler und überwältigt von dem Erfolg.



Diese Bilder werden oft gezeigt, stellvertretend für die sichtbaren Emotionen, die CS-Profis in besonderen Situationen durchleben. Doch ausgerechnet Starspieler GuardiaN ist der Unvollendete, der niemals ein Major gewinnen konnte. Die Sportwelt misst ihre Helden eben gerne nach den größten zu erringenden Titeln.

AWP-Götter am Maximum

In Counter-Strike sind das eben die Major - die inoffiziellen Weltmeisterschaften. Dreimal stand GuardiaN im Finale. Dreimal ging GuardiaN als Verlierer von der Bühne. Diese Tragik schwingt immer mit, wenn man über die Karriere des außergewöhnlichen AWP-Schützen spricht.

Der 29-jährige Slowake gehört zu den Besten aller Zeiten, die Counter-Strike jemals gespielt haben. Elektrisiert hat die Szene vor einigen Jahren das Duell zwischen ihm und Kenny 'kennyS' Schrub. Zwei AWP-Götter spielten am Maximum ihrer Fähigkeiten. Misst man mit Major-Maß, hat der Franzose die Nase vorn. Doch E-Sport ist komplexer als die reine Titelsammlung.



GuardiaN musste einen besonderen Weg einschlagen. Denn seine Heimat Slowakei ist weder eine Counter-Strike- noch eine E-Sport-Hochburg. Daher war klar, dass sein Weg zu den höchsten Weihen des Profisports nur über das Ausland führen konnte. Ohne Gewinnermentalität hätte GuardiaN diesen Schritt nicht geschafft.



Bis zu seinem Profidasein war es ein langer Weg. Geboren wurde Ladislav Kovács 1991 in der Kleinstadt Komárno. Der malerische Ort an der Donau, damals noch Teil der sozialistischen Tschechoslowakei, liegt im Südwesten der Slowakei, direkt an der Grenze zu Ungarn. Als GuardiaN zehn Jahre alt war, landete Counter-Strike auf der Festplatte seines Computers.

Überschaubare heimische Szene

Im Interview mit StarLadder sagte GuardiaN: „Es war zu der Zeit von CS 1.3, mit der alten aztec-Map, ungefähr 2001, als mein Bruder das Spiel mit nach Hause brachte. Ich habe anfangs allein gegen zehn Bots auf der höchsten Stufe gespielt. Und es fühlte sich gut an, ich konnte treffen, was ich wollte.“

In den nächsten Jahren entwickelte sich Ladislav weiter. Die Evolution von Counter-Strike über die weiteren Versionen 1.6 bis hin zu Counter-Strike: Source formte den Slowaken zu einem Spitzenspieler. Vorerst fasste er Fuß in der überschaubaren heimischen Szene. Der Griff zur majestätischen AWP geschah bereits in Version 1.6.

Dahinter steckte kein Wunsch, sondern Pragmatismus: „Ich habe mit dem Snipen angefangen, weil wir in unserer Stadt keinen guten Scharfschützen hatten. Das ist die einfache Geschichte dahinter.“ Der erste nennenswerte Auftritt von GuardiaN war 2009 mit dem slowakisch-tschechischen Team Reason Gaming auf dem CS-Source-Event LAN79 in Frankreich. Für das Quintett ging es bis ins Finale, das die Osteuropäer dann gegen Team VeryGames 0:2 verloren haben.



Schnell wurden Cheating-Vorwürfe gegen die erfolgreichen Nobodys laut. Wohl auch, weil Reason Gaming teils unorthodox spielte. Später erklärte GuardiaN Duncan 'Thorin' Shields den Grund dafür: "Weil ich von 1.6 auf Source gewechselt hatte, habe ich weiter Wallbangs und solche Sachen probiert." Für die Gegner war dieser Umstand wohl etwas verwirrend.

Unbeirrt indes ging der Slowake seinen Weg. Die nächste Zeitenwende folgte drei Jahre später, mit dem Erscheinen von Counter-Strike: Global Offensive. GuardiaN wechselte auf die neue CS-Version. Schlicht, weil es alle taten.

GuardiaN verschmäht Hühnchen

Liebe auf den ersten Blick war CS:GO keinesfalls: "Ich habe das Spiel gehasst. Ich kann nicht einmal genau sagen, warum ich es nicht mochte. Es war so viel Kitsch auf den Maps wie beispielsweise Hühner oder solches Zeug", sagte Guardian.

Der frustrierte CS-Purist erwägte sogar zwischenzeitlich, von der AWP auf eine andere Waffe umzusteigen. Doch schließlich blieb er bei dem Langrohr und studierte Counter-Strike: Global Offensive bis ins letzte Detail. In der Anfangszeit von CS:GO spielte GuardiaN weiter in der slowakisch-tschechischen Szene. Dazu gehörte auch seine Zeit bei Damage Gamers Belgrade zwischen November 2011 bis Januar 2012.



Aus dieser Zeit stammt eine besondere Anekdote: GuardiaN arbeitete damals bei Hewlett-Packard. Während einer Spätschicht stand ein Qualifikationsspiel für das erste IEM Katowice auf dem Plan. Sein Schichtleiter erlaubte ihm, während der Arbeitszeit zu spielen. Alle anwesenden Mitarbeiter an diesem Abend hüllten den Mantel des Schweigens darüber.

Im Juni 2013 schließlich begann die große Reise des mit reichlich Talent gesegneten GuardiaN. Zuerst ging es zur russischen Organisation Virtus.pro. Der Slowake sprach kein Wort Russisch, lernte das aber mithilfe seiner Mitspieler schnell.

Im selben Jahr weckte der AWP-Schütze internationale Aufmerksamkeit. Am Jahresende rankte ihn HLTV auf die zehnte Position der weltbesten Spieler. Grund genug für Natus Vincere den talentierten Slowaken Anfang Dezember 2013 unter Vertrag zu nehmen. Für dreieinhalb Jahre sollte GuardiaN dort spielen. Eine Station, die seine Legende mitbegründete.



Was machte GuardiaN so stark? Als AWP-Spieler glänzte der Slowake vor allem durch seine Vielseitgkeit. Er konnte passiv Winkel verteidigen oder unglaubliche Flick-Shots austeilen. Eine besondere Qualität allerdings war sein aggressives Spiel.

Während viele AWP-Spieler nach einem gelungenen Treffer eher den Rückwärtsgang einlegen, attackiert GuardiaN weiter. Dem Publikum und den Experten rang er damit Bewunderung und Respekt ab. Zudem behielt der CS-Profi in diversen Clutches eine bemerkenswerte Bärenruhe und klickte einen Gegner nach dem anderen aus dem Spiel. Hilfreich dafür ist sicherlich sein emotionaler Haushalt: „Ich rage nie. Desto ruhiger ich bin, desto besser spiele ich“, sagte GuardiaN

Brüder im Geiste

Brüder im Geiste waren damit GuardiaN und der damalige Na´Vi Ingame-Leader Danylo 'Zeus' Teslenko, der für sein unaufgeregtes strategisches Vorgehen bekannt war. Zeus hatte kein Problem damit, viel Zeit von der Uhr verstreichen zu lassen. "Er war unglaublich gut im Lesen des Gegners. Und er hatte das Selbstbewusstsein, erst 50 Sekunden vor Schluss die Taktiken anzusagen", sagte GuardiaN.

Für den Slowaken boten sich in solchen Runden viele Optionen, um einen Gegenspieler zu erwischen. Neben den Gegnern ging GuardiaN auch auf die Jagd nach Titeln. Wie alle CS-Profis träumte er den Traum vom Major-Gewinn. Natus Vincere hatte zweifellos das Potenzial dazu.

Zu dieser Zeit kristallisierte sich das Duell der AWP-Meisterschützen GuardiaN und kennyS heraus. Ein legendäres Aufeinandertreffen gab es beispielsweise im Viertelfinale der ESL One Cologne 2015. In einer Szene entschied aber nicht die AWP, sondern das Messer die Runde, mit dem kennyS seinen Opponenten GuardiaN niederstrecken konnte. Am Ende hatte auch kennyS' Team Team Envy die Nase vorn.



Wenige Monate später trafen GuardiaN und der Franzose im Finale des Major DreamHack Cluj-Napoca 2015 erneut aufeinander. Wieder hatte kennyS die Nase vorn. Der große AWP-Rivale konnte sich mit seinen Teamkollegen von Team EnVyUs somit seine erste Major-Trophäe in die Vitrine stellen. Natus Vincere blieb nichts weiter übrig, als artig die Hände zu schütteln.



GuardiaN wurde zum MVP des Turniers gewählt, am Jahresende stand der Slowake auf dem zweiten Platz des HLTV-Rankings, hinter dem Schweden Olof 'olofmeister' Kajbjer. Im Rückblick sicherlich besonders schmerzhaft für ihn, weil Na`Vi eine große Chance vergeben hatte. Das Quintett zerbrach aber nicht an der Niederlage, sondern etablierte sich als Spitzenteam, das stets um Turniersiege mitkämpfte.

Bei dem Gewinn der Counter Pit League Season #2 in Kroatien ragte GuardiaN im März 2016 einmal mehr heraus und zerlegte im Grand Final das dänische Team Astralis nach allen Regeln der Kunst. Wieder ging Natus Vincere im April 2016 als Mitfavorit in das kommende Major MLG Columbus 2016.

Handverletzung kostet Major

Das Schicksal meinte es in den USA wieder nicht gut mit GuardiaN. Seit einiger Zeit plagte ihn eine Handverletzung, die ihn während des Turniers immer mehr zu schaffen machte. Na`Vi gewann beide Gruppenspiele und stand ohne Mapverlust im Major-Finale gegen Luminosity Gaming.

Im Endspiel war die Verletzung dann so gravierend, dass GuardiaN durch die Veränderung seiner Mauseinstellungen sein Handgelenk schonen musste. Die Sensitivität war um ein Vierfaches höher gegenüber seiner normalen Einstellung - natürlich konnte diese kurzfristige Umstellung nicht gutgehen.

Natus Vincere konnte GuardiaNs Probleme in den Spielen davor kompensieren, doch im Finale reichte es nicht mehr. Na`Vi verlor glatt mit 0:2 - ein Debakel für das favorisierte Team. Ein GuardiaN im Vollbesitz hätte das Blatt möglicherweise wenden können.



GuardiaN lieferte eine seiner schlechtesten Leistungen in einem Endspiel ab. Gewundert hat es später freilich niemand. Aber kurz danach musste er viel Häme über sich ergehen lassen. Richtig rund lief es dann in den folgenden Monaten auch nicht mehr im Team Natus Vincere.

Die Organisation reagierte und holte im August 2016 das Talent Aleksandr 's1mple' Kostyliev ins Team, der Na`Vi kurz zuvor im Major ESL One Cologne 2016 mit Team Liquid gedemütigt hatte. Kapitän Zeus musste dafür von Bord gehen.

Sprachlos im Interview

GuardiaN selbst haderte mit dem Wechsel: "Ich denke, dass der Wechsel im Lineup nicht auf diese Weise hätte geschehen sollen." In diesem Hinblick sollte man nicht außer acht lassen, wie sehr der Slowake die Symbiose mit Zeus schätzen gelernt hatte. Auch zeigen Bilder von Turnieren und Reisen, dass die beiden Profis eine freundschaftliche Verbindung hatten.

Das junge Talent s1mple war indes mitverantwortlich für einen der schönsten Momente im Profileben von GuardiaN. Es war der besagte Gewinn der ESL One New York im Oktober 2016, der nach dem Finale den in Tränen aufgelösten und sprachlosen GuardiaN im Interview zeigte.



Später erklärte GuardiaN diesen Gefühlsausbruch: "Ich war so emotional, weil ich für Counter-Strike alles gegeben habe. Ich habe CS über meine Freunde gestellt, ich habe CS über meine Familie gestellt, einfach über alles. Und als ich an die ganzen verlorenen Finals gedacht habe und endlich ein wichtiges gewonnen hatte, hat sich viel in mir gelöst. Es hat schließlich gezeigt, dass sich die Anstrengungen gelohnt haben."

Doch der Sieg in New York kittete nicht die Risse im inneren Gefüge des Teams. GuardiaN verließ Natus Vincere und schloss sich im August 2017 dem FaZe Clan an. Mit Fug und Recht nannte man das Lineup ein "Superteam". Der FaZe Clan war eine Weltauswahl von namhaften CS-Profis: Neben Guardian spielte die schwedische CS-Legende olofmeister, der Bosnier Nikola 'NiKo' Kovač, der Norweger Håvard 'rain' Nygaard und der Däne Finn 'karrigan' Andersen.


Der Erfolgshunger der Organisation und des Quintetts waren riesig. Noch einmal sollte sich GuardiaN die Gelegenheit bieten, an einem Major-Finale teilzunehmen. FaZe spielte beim ELEAGUE Major: Boston 2018 ein herausragendes Turnier. Im Halbfinale schaltete GuardiaN mit FaZe sein altes Team Na`Vi aus. Im Finale wartete Cloud9 - der Underdog mit Heimvorteil.

Dritte Niederlage

Der Slowake kämpfte wie ein Löwe um den Titel und zeigte ein großartiges Spiel. Doch sein Team tat es ihm nicht gleich. Am Ende verlor FaZe und GuardiaN damit sein drittes Major-Finale in seiner Karriere. Sein Blick Sekunden danach ging in weite Ferne, während er die Arme hinter dem Kopf verschränkte. Wieder blieb nur das Schütteln der gegnerischen Hände, die damit wenig später die Siegertrophäe in die Luft stemmen sollten.

Danach sollte sich GuardiaN keine weitere Gelegenheit zur Erfüllung seines Major-Traums mehr bieten. Die Startruppe von FaZe gehörte zweifellos zur CS:GO-Elite und konnte Turniere gewinnen. Aber für den ganz großen Wurf reichte es nicht. Der Slowake wollte nach eigener Aussage bei FaZe seine Karriere beenden. Doch die Trenung erfolgte im August des vergangenen Jahres.



Der Schritt überraschte GuardiaN. So heuerte der AWP-Schütze noch einmal bei seiner alten Liebe Natus Vincere an. Aber der Slowake fand seine Form nicht wieder. Zu Beginn des Jahres ist er von der russischen Organisation auf die Bank verfrachtet worden.

Ob GuardiaN noch einmal das Feuer in sich entfacht und es allen zeigen will? Im Alter von 29 Jahren ist noch alles möglich. Aber einem Major-Sieg hinterherrennen muss die CS-Legende nicht mehr. Was ihm nach eigener Aussage am Herzen liegt, ist die slowakische CS:GO-Szene.



Er unterstützt den Nachwuchs: „Es ist wichtig für mich, die CS:GO-Szene in die Slowakei zu bringen. Ich hatte Mentoren, die aus mir den besten Spieler machen wollten. Das möchte ich gerne an mein Land weitergeben."

In den Genuss seiner Lehre kam bereits Martin 'STYKO' Styk von GODSENT. Die slowakischen Spieler schauen zu GuardiaN auf. Er war der erste Spieler, der es aus dem kleinen osteuropäischen Land ganz nach oben ins CS-Profigeschäft geschafft hat.

Ich denke an mein Team

Neben seiner ruhigen und sympathischen Art überzeugt seine vorbildliche Einstellung: "Wenn ich am Ende kein Major gewinne, wäre das sehr traurig. Denn mir ist nicht wichtig, persönlich der beste Spieler zu sein, weil es um das Team geht. Mir ist es egal, ob ich der Beste bin oder nicht. Ich denke an mein Team."

Die Tränen von New York und von den drei Major-Finalniederlagen sind bei GuardiaN lange getrocknet. Auch wenn es vermutlich nicht mehr zu einem Major-Sieg als Spieler reichen wird, kann er zufrieden auf seine Karriere zurückblicken. Jedem Fan von Counter-Strike erscheinen bei seinem Namen Szenen von Inferno, Mirage oder Overpass vor dem inneren Auge, in denen GuardiaN Counter-Strike in Vollendung demonstrierte.

Foto: StarLadder

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