Geposted von EddieCochran,
Die DreamHack Winter 2014 gehört zu den legendärsten Major-Turnieren der CS:GO-Geschichte. Eine Dokumentation erzählt die Geschichte des kontroversen "Olofboost" nun aus der Perspektive des betroffenen französischen Teams LDLC OL. In der Geschichte von Counter-Strike: Global Offensive sorgte wohl kein Turnier bisher für so viel negatives Aufsehen wie das Major DreamHack 2014 in Jönköping. Grund dafür war der umstrittene „Olofboost“ von Fnatic. Betroffen von der spektakulären Aktion war das Team LDLC, das nach souveräner Führung durch diese Aktion eine Niederlage erlitten hatte. Die französische Dokumentation "Un Major de légende: Team-LDLC à la DreamHack Winter 2014" erzählt die Geschichte nun aus der Perspektive ihrer Landsmänner, die das Major-Turnier am Ende trotzdem gewinnen sollten.



Die Dokumentation startet mit den Abgründen der E-Sport-Szene: Cheating. Denn eigentlich sollte der spätere Eklat auf der DreamHack nur der I-Punkt auf die Geschehnisse vor dem Turnier sein. Die beiden französischen Spieler Hovik 'KQLY' Tovmassian und Gordon 'Sf' Giry wurden beim Cheaten erwischt und gebannt. Das zog die Disqualifikation der beiden französischen Teams Titan eSports und Spirit Academy nach sich, in denen KQLY und Sf bis dahin gespielt hatten.



Als Nachrücker für Titan eSports wurde Team LDLC nominiert. Ausgerechnet das Team, in dem KQLY vorher unter Vertrag stand. Die gebannten Profispieler erwiesen ihren Kollegen damit freilich einen Bärendienst. Denn jede außergewöhnliche Aktion von CS-Größen zog nun den Verdacht nach sich, dass nicht alles mit rechten Dingen zuging. Die Stimmung in Jönköping war zum Zerreißen gespannt.

Bewegung in französischer Szene

Doch die Geschichte von LDLC beginnt vor dem Major im Sommer 2014. Die französische CS-Szene war heftig in Bewegung geraten. Etliche Spieler wechselten die Teams. LDLC holte das erst zwei Tage alte und frisch formierte Lineup von Mercenary, bestehend aus Ingame-Leader Vincent 'Happy' Schopenhauer, Nathan 'NBK-' Schmitt, Richard 'shox' Papillon, Fabien 'kioShiMa' Fiey und Edouard 'SmithZz' Dubourdeaux.

In der Dokumentation sagte shox, dass für die fünfte Position Happy von den anderen vier Spielern ausgesucht wurde. shox hätte als einziger Spieler Kévin 'Uzzziii' Vernel gewählt. Der Start des Quintetts von LDLC verlief vielversprechend. Zwei Turniersiege folgten, unter anderem bei SLTV StarSeries XI. Doch kurz vor dem Major in Schweden kam der Motor ins Stocken. Ausgerechnet gegen Fnatic setzte es zwei Final-Niederlagen bei den vorherigen Turnieren ESWC Final 2014 und Fragbite Masters 2014.



Für das Selbstvertrauen der Franzosen war das fatal. SmithZz sagte: "Es lief nicht gut für uns, wir haben auch Spiele im Training verloren. Die Leichtigkeit hat uns deshalb gefehlt." Fnatic versprühte das Gegenteil. Mit zahlreichen Erfolgen im Rücken sollte das Heimspiel zu einem weiteren Triumphzug werden. Das Team mit dem Bad-Boy-Image gehörte zu dieser Zeit neben dem aktuellen Major-Sieger Ninjas in Pyjamas, die die ESL One Cologne 2014 gewonnen hatten, und LDLC zum Nonplusultra der CS-Szene.

Starker Auftakt bei DreamHack

Doch entgegen der schlechten Vorzeichen startete LDLC prächtig ins Turnier. Gegen das polnische ESC Gaming holten die Franzosen ein ungefährdetes 16:4 auf Cobblestone zum Auftakt der Gruppenphase. Im zweiten Spiel gegen NiP wurde es deutlich knapper auf der Map Overpass. LDLC konnte sich mit einem 16:13-Erfolg durchsetzen.


Doch wer in der Partie genau hingesehen hatte, konnte sehen, dass die Franzosen im CT-Spawn auf Overpass einen Boost am Truck von fast derselben Position nutzten wie später Fnatic. Ein Wink mit dem Zaunpfahl wäre das für die Verantwortlichen Referees der DreamHack gewesen. Doch keiner hatte den Trick bemerkt und Happy und Co. standen damit im Viertelfinale, in dem es nun zum später legendär gewordenen Aufeinandertreffen mit Fnatic kommen sollte.

Frühes Aufeineinandertreffen der Favoriten

Die Konstellation im Viertelfinale war unvorhergesehen, denn Fnatic hatte nach dem Auftaktsieg gegen Bravado Gaming überraschend gegen die HellRaisers gepatzt, die ein vielversprechendes Talent namens Aleksandr 's1mple' Kostyliev in ihren Reihen hatten - heute bekannt als einer besten CS:GO-Spieler der Welt.

So kam es am 28. November 2014, um 17.30 Uhr zum Duell der designierten Favoriten, das in die Geschichte von Counter-Strike eingehen sollte. Ein Spiel, das erst viel später am Morgen des 29. November am grünen Tisch entschieden sein sollte. Die Voraussetzungen für LDLC waren denkbar schlecht. Bisher hatten sie Fnatic in keinem Best-of-Three-Match schlagen können und zudem genossen olofmeister und Co. die Unterstützung der heimischen Fans.

Doch LDLC schöpfte Zuversicht durch einen 16:10-Erfolg auf der eigenen Map Dust2. Fnatic gewann ebenfalls seinen Map-Pick und egalisierte das Match auf Cache mit 16:8 zum 1:1 in der Best-of-Three-Serie.

Überraschung auf Overpass

Die Entscheidung fiel auf Overpass. Valve hatte Overpass erst fünf Monate zuvor in den kompetitiven Map-Pool integriert. Im Vergleich zu heute war die Map anders gestaltet und verbarg noch einige gut gehütete Geheimnisse. Das war der Grund für die unvorhergesehenen und legendär gewordenen Ereignisse, denn die Teams hatten nach Überraschungen gesucht und waren fündig geworden.

LDLC erarbeitete sich zur Halbzeit einen Vorsprung von 12:3 auf der CT-Seite. Auf der T-Seite gewannen die Franzosen die Pistolen-Runde und benötigten nach dem 13:3 nur noch drei Runden für den Sieg. Fnatic war offensichtlich am Ende, zumal das Team in eine Eco-Runde musste.

Der Turning-Point war die Nutzung des sogenannten Olofboost auf der CT-Seite am Bombenspot A. olofmeister sprang vom Truck aus von einem Spieler auf einen weiteren Spieler, der an der angrenzenden Mauer einen Bug nutzte. olofmeister stand plötzlich hoch über den Dingen und konnte dank des Boosts fast die gesamte Map übersehen. War der Boost in der Pistolround noch wirkungslos, schaltete der mit einer Scout bewaffnete olofmeister nun die verdutzten Spieler NBK und kioshima aus.



Wie Deus ex Machina kam olofmeister auf das Team von LDLC herabgefahren. Fast wehrlos mussten sich die Franzosen nun ihrem Schicksal ergeben. Nicht dass der Schwede bloß gegnerische Spieler von seiner ungewöhnlichen Position ausschalten konnte, zudem erkannte er in jeder neuen Runde, welche Taktik LDLC angehen wollte. Fnatic konnte folglich mit keinem Spielzug mehr überrascht werden. Die schwedischen Fans in Jönköping feierten diesen vermeintlichen Geniestreich ausgelassen in der Elmia-Arena.

LDLC vermutete zu Beginn fälschlicherweise, dass olofmeister von B-Heaven auf sie schoss. Doch der Schwede stand im CT-Spawn auf dem Kopf seines Teammates. Als olofmeister wenig später mit dem Autosniper loslegte, wurde es umso schlimmer für LDLC. In den Gesichtern der Fnatic-Spieler sah man nach den gewonnenen Runden ein überlegenes Grinsen.

Gratualation mit hängenden Köpfen

Beim Stand von 13:13 nahm LDLC eine taktische Pause. Mit rauchenden Köpfen berieten sich die Spieler mit Coach Emmanuel "MoMaN" Marquez. Tatsächlich entdeckte shox den geboosteten olofmeister in der nächsten Runde vom Connector aus in Richtung A-Spot. shox schoss auf olofmeister - aber er konnte ihn nicht treffen. Ein weiterer Bug auf der Map verhinderte das offenbar, sagte der Franzose und kommentierte das unverblümt: "What the freaking hell is that?"

Die Franzosen entschlüsselten die Position kurioserweise deshalb, weil sie eben an dieser Stelle selbst einen ähnlichen Boost gegen NiP eingesetzt hatten. Allerdings war der Boost von Fnatic weitaus effizienter.

Fnatic gab keine Runde mehr ab, gewann die Map 16:13 und damit das Vietelfinale. Die Schweden feierten ihren Erfolg ausgelassen und der Faktor X olofmeister musste im Anschluss reichlich Hände schütteln. Die Franzosen hingegen gratulierten Fnatic mit hängenden Köpfen. Doch das war noch lange nicht das Ende der Geschichte.


Nach dem Spiel wurde der Olofboost ausgiebig diskutiert. Denn der untere Spieler, der olofmeister boostete, stand buchstäblich auf dem Nichts. Daher sprach man von der illegalen Aktion "Pixelwalking".

Fnatics Coach Jonatan 'Devilwalk' Lundberg erkannte im Interview nach dem Spiel sogar an, dass LDLC das bessere Team gewesen sei. Doch Fnatic hätte das bessere Wissen von Overpass gehabt und deshalb gewonnen. Das war Wasser auf die Mühlen der Kritiker. Denn auf Fnatic prasselte ein unglaublicher Shitstorm ein. CS:GO trendete unter dem Hashtag #fnatic in den Top 10 der Twitter-Charts und auch in anderen sozialen Medien setzte sich die Diskussion aufgeregt fort.


Die Community hatte das Quintett von Fnatic schon seit Längerem auf dem Kieker. Stets gab es Cheating-Vorwürfe, vor allem gegen Robin 'flusha' Rönnquist. Beweise gab es jedoch nicht. Die Aktion auf Overpass hob die Abneigung gegen Fnatic auf ein neues Level. Ein Reddit-User behauptete indes, den Boost einige Wochen vorher bei einem Fnatic-Spiel entdeckt zu haben. Daraufhin soll Fnatic ihn vor dem Major kontaktiert und von ihm erbeten haben, das Video zu löschen. Der Trick sollte ein Geheimnis bleiben.

Spieler anderer Teams wie Spencer 'Hiko' Martin und Jordan 'n0thing' Gilbert von Cloud9 schalteten sich ein und kritisierten die Aktion von Fnatic, aber auch den Veranstalter, der nicht gegen den Boost vorgegangen war. n0thing plädierte am Abend dafür, den Boost als Regelverstoß zu ahnden. Sicher auch aus der Warte heraus, dass das im Laufe des Turniers erneut auf Overpass passieren könnte.


Hinter den Kulissen des Majors brodelte es also gewaltig. "Nach dem Spiel wurde uns der Boost gezeigt. Wir haben natürlich sofort gesehen, dass das ein Pixelwalk war. Damit wollten wir sie nicht davonkommen lassen", sagte SmithZz. LDLC entschied sich zur Anfechtung des Spielergebnisses. Was folgte, war eine Schlammschlacht zwischen Teams und Veranstaltern.


In den Statuten der DreamHack stand ausdrücklich, dass Pixelwalkung verboten sei. Allerdings monierten mehrere Teams, dass sie das Regelwerk nicht zeitig genug bekommen hätten und es wohl unterschiedliche Fassungen gab. Die Diskussion entbrannte darum, ob der Boost legal oder illegal war. Diese Entscheidung oblag den Admins der DreamHack. Der Veranstalter ließ sich bis 2.15 Uhr Zeit, um eine offizielle Entscheidung zu fällen: Die Map sollte beim Halbzeitstand von 12:3 am nächsten Tag erneut gespielt werden.

Verantwortliche von Fnatic legten allerdings sofort Widerspruch ein. Daraufhin revidierte die DreamHack eine Stunde später seinen Schiedsspruch und entschied, dass die gesamte Map neu gespielt werden sollte. Um 5 Uhr ergänzten die Organisatoren der DreamHack, dass ein Pixelwalk nicht gegen die Regel verstößt, wohl aber die Ausnutzung des Textur-Fehlers, der den Boost ermöglicht hatte.

Rematch auf Overpass

Das Lavieren des Veranstalters machte die Verwirrung nun komplett. Die Spieler von LDLC erfuhren von der Entscheidung erst am nächsten Morgen. "Sie erklärten uns nicht viel, sondern unterrichteten uns von der Entscheidung", sagte SmithZz. Das Argument lautete, dass LDLC im Spiel gegen NiP dasselbe gemacht habe. Das Rematch auf Overpass sollte also am selben Tag stattfinden.

Doch Fnatic trat nicht an. Der DreamHack-Verantwortliche Christian "Hellspawn" Lord verkündete wenig später, dass die Schweden das Turnier nicht weiter spielen werden. Hinterlassen wurde ein Scherbenhaufen, den aber nicht nur Fnatic zu verantworten hatte. Misst man mit gleicherlei Maß, haben sowohl LDLC als auch Fnatic die Schwächen der unausgereiften Map Overpass ausgenutzt. Nur war der Moment und die Umsetzung von Fnatic weitaus wirkungsvoller. Dass es überhaupt dazu kommen konnte, lag überdies am schlecht kommunizierten Regelwerk der DreamHack.

Fnatic bekam den Hass der CS-Community zu spüren, Grund genug für die Spieler, die Segel zu streichen. Die Schweden erlebten anschließend einen Spießrutenlauf. In einem Interview erzählte olofmeister später, dass die Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen reichten. SmithZz sagte in der Doku, dass die Fnatic-Spieler bereits kurz nach dem Match die Aktion bereut und einen Rückzug in Erwägung gezogen hätten. Allerdings hätten das die Verantwortlichen von Fnatic nicht gewollt.



Insgesamt waren 21 Stunden vergangen, bis schließlich feststand, dass LDLC das Halbfinale gegen Natus Vincere spielen würde. Die Franzosen konnten sich mit 2:0 gegen Na´Vi durchsetzen und später auch das Finale gegen die Ninjas in Pyjamas gewinnen. Nach dem 2:1-Sieg stemmten sie die Major-Trophäe in die Höhe. Spielerisch hinterließ das keinen faden Beigeschmack. LDLC hatte verdient gewonnen.



Wenig ruhmreich bleibt allerdings das Geschehen rund um den „Olofboost“, das keine Partei unbeschadet überstanden hatte. Reflexartig verbindet heute jeder die DreamHack 2014 mit dem Eklat im Viertelfinale. Vielleicht fand LDLC-Spieler Happy im Anschluss die passendsten Worte: "Es wäre am besten gewesen, die Admins hätten direkt eingegriffen, als sie den Boost gesehen haben. Das wäre eine professionelle Entscheidung gewesen. Denn danach war nichts mehr professionell, inklusive unserer Reaktionen auf Twitter."

Fotos: DreamHack

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