Geposted von Zorkaa,
99Damage sprach während der StarLadder Major Berlin 2019 mit Alex 'Machine' Richardson über seine neuen Aufgaben als Kommentator und seinen langen Weg im Esport.
99Damage: Machine, lass uns ein bisschen in der Zeit zurückgehen. Gegen Ende des Jahres 2016 hast du angekündigt, dass du Freelancer wirst. Warum hast du dich damals für diesen Schritt entschieden und denkst du, dass es rückblickend der richtige Schritt war?


Alex 'Machine' Richardson: Ja, auf jeden Fall war es der richtige Schritt. Inzwischen hinterfrage ich das auch gar nicht mehr. Obwohl ich am Anfang schon die ganz normalen Fragen hatte, die sich jeder stellt, der in die Eigenständigkeit wechselt.

Damals bei der ESL kam ich direkt nach der Universität unter und die Firma hat mir eine Plattform gegeben und mir viele Möglichkeiten eröffnet. Dafür bin ich ihnen ewig dankbar. Damals ist man auf mich zugegangen und hat mir die Stelle als Host angeboten, obwohl ich noch Kommentator war. Deswegen konnte ich all diese Fähigkeiten entwickeln, die ich gebraucht habe, um dann schlussendlich als Freelancer zu arbeiten.


Was waren für dich die größten Umstellungen von der Vollzeitanstellung im Vergleich zum Freelancer?


Machine: Die erste große Umstellung für mich war, dass ich nicht mehr in Deutschland leben musste. Als ich bei der ESL gearbeitet habe, habe ich auch in Köln gelebt. Danach war es für mich erst einmal komisch, nicht zu wissen, wo ich jetzt leben soll. Ich habe mich dann aber für London entschieden.

Das Zweite war auch die komplett eigenständige Arbeit. Alle E-Mails durchzugehen, alle Anfragen zu beantworten, alle Aufträge zu planen und auch selbst welche zu suchen, war für mich neu. Die ESL hatte mir zuvor alles vorbereitet und zurechtgelegt.

Jetzt gehe ich auch als Marke Machine zu Events und nicht mehr nur als Angestellter. Alles, was ich vor und hinter der Kamera bei Events mache, ist jetzt Teil meiner Marke. Diese Gewissheit hat mir aber auch geholfen, mich zu verbessern und auf alles besser zu achten.




Du hast es schon angesprochen, dass du als Kommentator angefangen hast und jetzt eben Host bist. Was gefällt dir am Hosten besonders gut?


Machine: Was mir besonders gut gefällt, ist, dass ich jetzt von Beginn an ein so großer Teil des Events bin. Ich bekomme als Host viel mehr mit und baue quasi den Rahmen auf, damit die Analysten und Kommentatoren ihre Arbeit besser machen können.

Ich versuche mich immer häufiger daran, die Informationen auf eine neue und kreative Art und Weise rüber zu bringen. Normalerweise hört man häufig die immer selben Segmente für die Teams. Das will ich etwas abändern, sodass man immer Abwechslung hat. Außerdem mag ich es, dass man den Hype der Fans viel besser mitbekommt.


Wie hat es sich denn angefühlt, erst Kommentator, dann Desk-Host und auch Stage-Host zu sein? Insbesondere, da du einfach ins kalte Wasser geworfen wurdest.


Machine: Meine ganze Karriere war im Prinzip darauf basierend, dass ich ins kalte Wasser geworfen wurde. Aber das wollte ich auch. Ich habe in gewisser Weise sogar danach gesucht. Die anschließende Gewissheit zu haben, dass du etwas Neues erlebt und gemeistert hast, ist so wertvoll und wichtig.




Daran anschließend: Inwiefern haben dir andere Talents geholfen, diese neuen Aufgaben zu bewältigen?


Machine: Gerade zu Beginn haben mir andere Leute total viel geholfen. Ein wertvoller Tipp, den ich von Paul 'ReDeYe' Chaloner bekommen habe, ist: Man ignoriert die total positiven und die total negativen Kommentare und Anmerkungen zu seiner Arbeit. Dann kann man sich auf das konzentrieren, was wirklich gut oder schlecht war. Nach diesem Grundsatz habe ich lange Zeit gelebt.

Generell habe ich Kritik aus den sozialen Netzwerken nie beachtet. Es waren immer Kollegen, deren Meinung du respektierst, die einem das beste Feedback gegeben haben. Zumal ich auch immer sehr selbstkritisch bin. Das gilt aber für fast alle, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Es ist in unserem Feld auch sehr wichtig, dass man eine gute und gesunde Selbstwahrnehmung hat. Zusammengefasst würde ich sagen, dass man sehr aufgeschlossen sein muss.


Siehst du dich selbst denn eher als Allrounder oder fühlst du dich eher als Kommentator, Host etc.?


Machine: Im Moment versuche ich mich wieder am Kommentieren zusammen mit Henry 'HenryG' Greer. Da muss man aber schauen, wie das ankommt und wie wir uns dabei fühlen. Man will natürlich auch ein gutes Duo abgeben, wie so viele andere überragende Kommentatorenpaare es vorgemacht haben. Dafür braucht man aber auch eine gewisse Zeit, um sowas aufzubauen. Ich finde es fantastisch, dass man uns dafür die Chance und Zeit gibt.


Quelle: StarLadder - Igor Bezborodov


Du hast mit dem Desk-Hosting angefangen, als ganz viele alte Profis aufgehört haben und auch als Analysten angefangen haben. Hast du das Gefühl, dass diese Dynamik etwas Neues und Gutes für Counter-Strike war?


Machine: Auf jeden Fall war es was Neues. Aber man kann nicht auf Anhieb sagen, dass es jetzt gut ist und vorher schlecht war. Die Kombination macht es aus. Man sieht das bei Sean 'seangares' Gares, der als Spieler so ein gutes Verständnis für das Spiel hat, und als Analyst muss man ihn nur vor eine Kamera setzten. Er schafft es, ganz natürlich zu sein und gleichzeitig eine gute Analyse zu bringen.

Die Analyse entwickelt sich, genauso wie das Spiel, immer weiter und ich erinnere mich an die Erfolgsgeschichte von Janko 'YNk' Paunovic. Er kam einfach im Anzug zur Stage und hat uns sein Wissen um die Ohren gehauen. In gewisser Weise hat er auch die Pionierarbeit für alle anderen Profi-Spieler geleistet, die dann als Analysten im Rampenlicht standen. Ich glaube, er ist wirklich ein herausstechendes Beispiel für einen Profi, der auch in der Analyse funktionieren kann.


Wir haben in der Szene den einen oder anderen ex-Pro, der jetzt Analyst ist, gesehen. Aber noch keinen ex-Pro, der jetzt Kommentator ist. Glaubst du, dass wir das noch erleben und wen hast du da schon im Blick?


Machine: Ja klar, das kann ich mir gut vorstellen. Wir haben ja schon einzelne Auszüge davon gesehen bei Sean 'seangares' Gares. Auch bei Joshua 'steel' Nissan sehe ich Potenzial, um mal einen Namen zu nennen. Wir haben von ihm auch schon einmal einen Cast gehört, bei der ESL One: Cologne 2014.

Ich denke, eine ganze Menge an Spielern könnten Kommentatoren werden, wenn man ihnen den richtigen Partner daneben stellt. Als Color-Caster muss man im Prinzip auch nur seine Gedanken zum Spiel vernünftig zusammenfassen und erklären. Allerdings glaube ich nicht, dass Spieler sich als Play-by-Play-Caster versuchen sollten. Dafür braucht man ein kleines Bisschen mehr.




Und wie hast du damals den ersten Kontakt für dein erstes großes Event gehabt? Zum Beispiel für dein erstes TI?


Machine: Das war eigentlich eine witzige Geschichte. Ich habe bei Skype eine Freundschaftsanfrage bekommen, von einem Bruno. Die habe ich angenommen und er fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, beim TI die Gruppenphase zu hosten. Ich hatte vorher schon auf ein paar Dota-Events gearbeitet. Aber ich hätte mir trotzdem nie träumen lassen, dass ich beim TI arbeiten kann. Es war wirklich super, ich konnte eine ganze Menge machen und mich ausprobieren.


Du hast außerdem für eine Woche auch bereits mit der LEC zusammengearbeitet. Siehst du da irgendwelche Ähnlichkeiten oder auch Unterschiede zwischen CS, Dota2 und League of Legends?


Machine: Ich kann dir ein paar Vergleiche dazu geben. In der LEC habe ich gesehen, was eine Woche wirklich intensive und engagierte Arbeit leisten kann. Ich durfte bei allen Meetings dabei sein, habe gesehen, wie alles erprobt wird, wie sich die ganzen Kameras bewegen und wer zu welcher Zeit zu sehen ist. Das war sehr interessant, vor allem weil noch genug Zeit geblieben ist, um noch einen persönlichen Aspekt und Banter in die Show reinzubekommen. So eine von oben bis unten aufpolierte und super umgesetzte Show habe ich für CS höchstens bei der ELEAGUE gesehen und die wird in einem TV-Studio gemacht.

Beim TI habe ich viel Stage-Host-Erfahrung sammeln können. Zum Beispiel die Verliererinterviews, die ich zuvor noch nie gemacht hatte. Am Anfang war etwas schwer für mich. Ich habe zu sehr mitgelitten und war dann für den Rest der Woche genauso verärgert wie die Spieler, die ihre Chance auf Millionen von Preisgeld verspielt haben. Das waren alles sehr gute und wichtige Erfahrungen für mich.


Quelle: Riot Games


Du hast TI gehostet, du hast Majors gehostet, du hast schon so viel erlebt und gemacht. Was ist noch da, was du unbedingt machen willst?


Machine: Ehrlich gesagt weiß ich es im Moment nicht so wirklich. Das nächste Kapitel für mich ist das Kommentieren, an das ich mich jetzt wieder herangetraut habe. Das sind auch meine Wurzeln und ich bin froh, dass ich jetzt wieder die Chance bekomme, das zu machen - vor allem auf so einer großen Bühne.


Zum Abschluss noch die Frage, was du an der CS-Übertragung verändern würdest, wenn Geld und Aufwand keine Rolle spielen würden?


Machine: Ich bin wirklich überrascht, dass es keine Tools für die Analyse gibt. Ein Zeichentool oder ähnliches würde uns so viel helfen, die Spiele zu analysieren. Ich denke auch, dass die Zuschauer so eine Änderung sehr begrüßen würden. Insbesondere, weil CS so ein schnelles Spiel geworden ist, könnten uns solche Hilfsmittel enorm unterstützen.

Beim Kommentieren hast du nicht die Zeit für solche Sachen, aber bei der Analyse könnte es ein wichtiges Tool sein, um die besten Teams zu erklären und alles rüberzubringen.

Und wenn Geld wirklich keine Rolle spielt, dann hätte ich gerne nochmal ein Event in Cancún (lacht).

Bildquelle: Starladder - Igor Bezborodov

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