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Smix: "Manchmal fühle ich mich dabei, als würde ich eine Linie überschreiten"

Geposted von vdr,
Sue 'Smix' Lee gehört seit vielen Jahren zu den etablierten Gesichtern in internationalen CS:GO-Übertragungen. Wir sprachen mit ihr über ihren Beruf.
99Damage: Smix, das Major ist offenkundig das größte Turnier in CS:GO. Passt du deine Fragen an das jeweilige Event an - vor allem in Hinblick auf das breite Publikum bei Major-Turnieren?


Sue "Smix" Lee: Meistens nicht, nein. In den meisten Fällen konzentriere ich mich darauf, dass die Zuschauer verstehen, warum der Sieg, den sie gerade gesehen haben, wichtig war.

Nehmen wir beispielsweise die Renegades: Sie gewinnen und erreichen dadurch den Legenden-Status. Warum ist das für den Zuschauer interessant? Auf solche Fragen versuche ich mich zu fokussieren, vor allem bei der ersten Frage, die ich stelle.

In diesem Fall war es die erste Frage an AZR, der bereits seit vier Jahren für die Renegades spielt. Erst in diesem Jahr hat er mit ihnen zum ersten Mal den Legenden-Status erreicht - in Berlin nun sogar das zweite Mal in Folge.

Ich versuche einfach, ein wenig Kontext für den Zuschauer herzustellen, um zu zeigen, warum diese Info wichtig ist. So mache ich das eigentlich bei jedem Turnier. Und natürlich ist das bei einem Major alles umso bedeutender - mit höheren Preisgeldern und einer viel größeren Bedeutung für die Spieler selbst. Genau das versuche ich, rüberzubringen.

Quelle: DreamHack - Adela Sznajder

Wie genau bereitest du dich auf solche Interviews vor?


Zuallerst blicke ich auf die Match-Statistiken der beiden Teams. Ich schaue mir an, wann sie zuletzt gegeneinander gespielt haben oder wer statistisch gesehen herausstechen konnte. Dann schaue ich mir die Turnierverläufe, vor allem bei den letzten Majors, etwas genauer an.

Nehmen wir hier zum Beispiel Stewie: Wie oft hat er die Top 8 bei einem Major bisher erreichen können? Natürlich ist er bereits ein erfahrener Spieler und spielt nun schon länger ganz oben mit. Im Fall von shox oder kennyS, die hier gerade ausgeschieden sind, hätte ich wohl so etwas gesagt wie: "Hey, es ist jetzt schon anderthalb Jahre her, als ihr das letzte Mal in die Top 8 gekommen seid."

Ich versuche, mich einfach auf solche Dinge zu konzentrieren. Wann haben sie etwas ähnliches zuletzt erreicht, wie sind die Head-to-Head-Statistiken, welche Trends kann man auf den verschiedenen Maps erkennen? Und natürlich auch verrückte Sachen, die während der Matches passiert sind. Am Ende geht es aber immer um das große Gesamtbild und warum genau das wichtig ist.


Dich sehen wir ja meistens bei den Sieger-Interviews. Bei den ECS Finals konnte man Freya oder auch Pala mitten in den Playerbooths sehen, als sie unmittelbar vor oder nach den Matches Interviews geführt haben. Was ist deiner Meinung nach die beste Herangehensweise für so etwas?


Das ist eine ziemlich gute Frage. Ich denke nicht, dass es da eine "richtige" Herangehensweise gibt. Am Ende will natürlich jeder Zuschauer wissen, was die Profis nach einem engen Match denken oder fühlen. Wenn sich also die Möglichkeit bietet, zwischen den Maps Interviews zu führen, ist das natürlich super. Bei der ESL One Cologne wurde das zum Beispiel gemacht. Vorausgesetzt natürlich, die Spieler sind bereit dazu.

Ich persönlich versuche, mich eher in die Spieler hineinzuversetzen und manchmal tut es mir dann auch leid für sie. Dann stelle ich mir vor, die Spieler setzen all ihre Energie und ihren Fokus komplett auf das Spiel und dann kommt irgendjemand daher und sagt, dass sie jetzt ein Interview führen müssen. Als Spieler würde ich diese Person hassen.

Ich bin da also etwas zwiegespalten. Auf der einen Seite verstehe ich, warum es interessant wäre, etwas von ihnen zu hören. Auf der anderen Seite tut es mir immer irgendwie leid, vor allem bei Prematch-Interviews oder zwischen den Maps. Schließlich reißt man die Spieler dadurch immer etwas aus ihrem Fokus.

Quelle: StarLadder - Igor Bezborodov

Du bist als Interviewerin jetzt schon lange Zeit dabei. Wie würdest du die Professionalität von Spielern und Organisationen im Esport bewerten, verglichen mit Interviews in anderen Bereichen?


Ich denke, wir sind da schon gut vorangekommen. Ich bin vor etwa zehn Jahren in den Esport eingestiegen und gerade am Anfang gab es da ziemlich wenig Struktur. Die Leute haben einfach irgendetwas gefragt. Aber mit der Zeit hat sich das immer mehr verbessert, zumal mittlerweile auch viel mehr Geld und Sponsoren im Spiel sind.

Wenn man sich Turniere von 2010 oder 2011 anschaut, dann ist das schon fast witzig anzusehen. Damals war es natürlich das Coolste überhaupt. Aber heute denkt man sich eher "Holy Shit!". Glaub mir, wir haben uns so stark weiterentwickelt. Klar hat man immer mal wieder ein Interview, bei dem der Spieler spürbar keine Lust hat, zu antworten. Aber das war früher wesentlich häufiger der Fall als heute.


Lass uns bei diesem Thema bleiben: Wie gehst du bei Interviews mit dem Verliererteam vor?


Naja, ich verstehe, warum wir das tun müssen. Vor allem, weil es im traditionellen Sport auch gang und gäbe ist. Im Esport ist es noch nicht so selbstverständlich. Und, wie ich schon sagte, bin ich da sehr empathisch. Wenn man sich die Spieler nach einer bitteren Niederlage anschaut, so wie beispielsweise North, die hier in Berlin von Liquid eliminiert wurden, dann ist das echt schwierig. Kjaerbye war den Tränen nahe, hatte die Hände vors Gesicht geschlagen.

Manchmal fühle ich mich dabei, als würde ich eine Linie überschreiten. Der professionelle Teil von mir versteht natürlich, dass wir so etwas tun müssen. Aber der empathische Teil würde am liebsten jeglichen Augenkontakt mit den Verlierer vermeiden.


Du warst auch sehr aktiv in der StarCraft-Szene. Siehst du da große Unterschiede zu CS:GO - außer der Tatsache, dass die meisten StarCraft-Spieler Koreaner sind?


Oh, da gibt es große Unterschiede! Es fängt natürlich schon damit an, dass CS:GO ein Team-Spiel ist. Dadurch gibt es viel mehr Variablen, die zu beachten sind. Beispielsweise könnte mein Interview-Partner ein ziemlich schlechtes Spiel abgeliefert haben, aber am Ende hat sein Team trotzdem gewonnen. Das beeinflusst natürlich das gesamte Interview.

In StarCraft hat mein Gegenüber das Spiel entweder selbst gewonnen oder verloren. Die Mentalität dabei ist also eine komplett andere. Und diese Spieler haben eine viel strategischere Denkweise. Wenn man StarCraft-Spieler zusammen abhängen sieht, dann sprechen sie ständig über das Spiel, verschiedene Match-Ups, das Early-Game oder sonst etwas. Sie diskutieren kontinuierlich darüber, was die optimalste Herangehensweise an das Spiel ist. Ein bisschen so wie beim Schach. Für mich ist StarCraft das Esport-Schach und deshalb kann man da endlos über Strategien sprechen.

Bei Counter-Strike-Spielern ist das ein bisschen anders. Wenn das Spiel vorbei ist, dann ist es vorbei. Und sie reden auch sehr viel mehr über andere Dinge. Der Unterschied ist also enorm!


Du hattest in deiner Karriere auch schon einige "Meilensteine": das Sieger-Interview mit Serral bei der BlizzCon oder mit Cloud9 beim ELEAGUE Major Boston. Wie gehst du an solche Situationen heran, wenn du genau weißt, dass es für die Spieler ein historischer Moment ist?


Das ist interessant, weil ich da eigentlich keine andere Herangehensweise habe als sonst. Aber was ich sagen kann, ist, dass ich in den von dir genannten Situationen sehr emotional geworden bin. Nach dem Major-Sieg von Cloud9 habe ich bestimmt 40 Minuten lang geweint. Ich war einfach so überwältigt davon, was sie in diesem Moment erreicht haben - nicht nur für sich selbst oder das Team, sondern für ganz Nordamerika in CS. Das hat es vorher noch nie gegeben. Zumal sie bei diesem Turnier nicht mal ansatzweise der Turnierfavorit waren.

Ich wusste, dass ich Skadoodle interviewen würde, weil er mir gesagt hat, dass er es tun würde, falls sie gewinnen. Ich war dann einfach froh darüber, ihn interviewen zu dürfen und wollte so viel wie möglich aus dem Interview herausholen. Sowohl bei Skadoodle als auch bei Serral wollte ich einfach allen Zuschauern bewusst machen, was das für ein besonderer Moment ist.




Das Interview wurde während des StarLadder Majors Berlin geführt.

Teaserbild: StarLadder - Igor Bezborodov


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