Geposted von kautzy,
Dass die Performance von BIG bei der ESL One Cologne historische Ausmaße hatte, steht außer Frage. Aber wie wirkt sich der kollektive (Silber-)Siegestaumel nun auf CS-Deutschland aus? Sommermärchen. Es gab wohl kein Wort, mit dem am vergangenen Wochenende so viel um sich geworfen wurde wie mit diesem. Auch ich musste mehrfach fünf Euro ins Phrasenschwein werfen.

Sommermärchen. Wir wissen alle, worauf sich der Begriff bezieht. Und er impliziert Großes: nämlich Ausnahmestimmung im gesamten Land und ihre nachhaltigen Effekte. Jeder, der dabei war, kann sich an die WM 2006 erinnern. Und auch 2018, zwölf Jahre danach, wurde sie unermüdlich von sämtlichen Medien wieder hervorgekramt.

Sommermärchen. Das wurde letztes Jahr um diese Zeit im Zusammenhang mit CS:GO und BIG schon mal sehr exzessiv benutzt und ein paar Monate später war alles beim Alten. Wird das "Sommermärchen" sich diesmal selbst gerecht?

Die Welt zu Gast bei BIG

Natürlich hat die Leistung bei der ESL One Cologne 2018 nicht ganz Deutschland in einen Ausnahmezustand versetzt, aber doch immerhin ganz CS-Deutschland. 15.000 sind in der LANXESS Arena ausgerastet, 38.000 auf dem 99Damage Stream - Rekord! Es herrschte und herrscht ein nie dagewesener Enthusiasmus in der deutschen CS:GO-Community und die Auswirkungen, die allerorts prophezeit werden, beziehen sich oft auf die gesamte deutsche Szene.


Auch der ESL hätte nichts Besseres passieren können als die Finalteilnahme von BIG. Die Stimmung auf dem Event wurde auf der ganzen Welt zu Recht in den Himmel gelobt und der Status von Cologne als Event der Extraklasse hat sich massiv gefestigt. Ein perfektes Showcase für den Veranstalter.

Selbst im Mainstream sollte sich wieder einiges getan haben: Haufenweise Fernsehsender und Tageszeitungen waren vor Ort. ProSieben FUN übertrug die letzten beiden Tage des Events sogar live und in voller Länge. Die Assoziationen mit Kellerkindern und Amokläufern sollten nun noch weiter verblassen. Auch, wenn der Weg zur völligen Akzeptanz ein langer bleibt.


Wenn nicht jetzt, wann dann?

Die ESL One reicht also nicht ganz an die Fußball-WM heran, aber es gibt noch ein anderes "Märchen", mit dem man durchaus vorsichtige Vergleiche ziehen kann: das Wintermärchen, a.k.a. die Handball-WM 2007. Ähnlich, wie CS:GO eine Nischensportart ist, erlebte der Handball nach der WM in Deutschland einen kometenhaften Aufschwung. Fast 20.000 neue Mitglieder traten im Jahr danach dem deutschen Handballbund bei.

Nach der ESL One Cologne sind ähnliche Effekte zu erwarten. Viele Zuschauer in der Arena und zu Hause wird es nach diesem Wochenende in der Maushand gejuckt haben. Selbst die Pros münzten die ausgelassene Stimmung in Motivation um.


Halbwertszeit unbekannt

Die Frage ist, wie lange diese positiven Effekte anhalten werden. Sprießen nun allerorts Teams voller junger Talente aus dem Boden und brechen erneut die Anmelderekorde in der 99Liga?

Ungewiss, aber auch unwahrscheinlich. CS:GO ist sehr viel schnelllebiger als der traditionelle Sport und die ESL One Cologne ist "nur" ein Event von vielen. Der Hype wird deutlich schneller abflachen. In ein paar Monaten wird die ESL One Cologne zwar nicht vergessen sein, aber stärker in den Hintergrund rücken, als es all die anderen Märchen taten.



Vielleicht ist es aber auch ein unfairer Anspruch, dass die Leistung eines einzelnen Teams bei einem einzelnen Turnier gleich die ganze CS:GO-Landschaft in Deutschland umkrempeln soll. Allerdings hat BIG das mit dem Geniestreich #gemeinsam auch ein klein wenig selbst heraufbeschworen.

Das war natürlich keine Absicht: Einerseits sicherten sie sich damit die Unterstützung der Fans, andererseits gaben sie ihnen damit netterweise einen Anteil am Erfolg. Aber es wurde auch etwas Druck aufgebaut und in diesem Moment ging die Erschütterung des BIG-Bebens weit über die LANXESS Arena hinaus. Mal sehen, wie lange nun das Nachbeben anhält.

BIG wird bigger

Auf jeden Fall werden jene nachhaltig profitieren, die die Leistung letztendlich erbracht haben: BIG. Und das natürlich zu Recht. Die Dichte an BIG-Trikots bei den Zuschauern vor Ort war wahnsinnig hoch und die Merch-Verkäufe, auch nach dem Event, werden ordentlich Geld in die Kassen der Berliner Organisation spülen. Auch für die Akquise von Sponsoren hat das Turnier wahrscheinlich wahre Wunder gewirkt. Die Minuten, in denen CEO Daniel Finkler diese Woche nicht das Telefon am Ohr hatte, kann man vermutlich an einer Hand abzählen.


Die finanziellen Grundsteine für zukünftige Erfolge der gesamten Orga werden somit erneut gelegt. Aber auch der Abstand zu den anderen deutschen Organisationen sollte nochmal deutlich gewachsen sein. Es bleibt zu hoffen, dass diese sich davon nicht demotivieren, sondern inspirieren lassen.

EURONICS Gaming und ALTERNATE aTTaX haben dieses Jahr im Rahmen der ESL Meisterschaft einen Vorgeschmack darauf bekommen, wie es sein kann, auf der Bühne der ESL One Cologne zu spielen. Letztes Jahr saß BIG noch an der gleichen Stelle. Wir alle hoffen, dass sie irgendwann ebenfalls den Sprung schaffen.

Einfach unvergesslich

Ob und wie lange das Nachbeben anhält, ist letztendlich eigentlich egal. Denn BIG hat bereits etwas Bleibendes geschaffen: den Moment. Selbst wenn der Enthusiasmus, die Motivation und der sportliche Erfolg abflachen, wird der Moment bleiben.

Ein Moment voller Überraschung, Staunen und Ekstase, auf den die deutsche Community seit dem Niedergang von CS 1.6 gewartet hat. Eine Cinderella-Story und ein Cologne-Showcase für den Rest der Welt.

Am Ende war es halt doch ein verdammtes Sommermärchen. Und in zwölf Jahren werden wir diesen Moment genauso hervorkramen, wie es die Medien dieses Jahr mit der WM 2006 getan haben. Ich für meinen Teil freu mich schon drauf.



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