Geposted von EddieCochran,
Für die spielerische Weiterentwicklung von zonixx war die Station Team Bavarian Heaven (TBH) von großer Bedeutung. Anfang 2011 stieß der Dortmunder zur Organisation. Mit Christian "Blizzard" Chmiel und Roman "Roman R." Reinhardt gehörten die heute legendären Namen der frühen deutschen CS-Szene zum Team. "Bei TBH bin ich in völlig neue Kreise gekommen. Ich konnte mit Leuten wie Roman "roman" Ausserdorfer und Fatih "gob b" Dayik Kontakte knüpfen, die vorher für mich unnahbar schienen."
"Bei TBH war ich anders gefordert. Ich bin spielerisch und menschlich in dem Team gewachsen." zonixx erzählt vom ersten Intel Friday Night Game gegen mousesports. "Wir haben das Spiel 1:2 verloren – mouz war damals schon die größte Nummer. Das Match war ein großartiges Highlight für mich." Die CS-Topspieler rückten nun zunehmend ins Licht der Öffentlichkeit. Da waren die Fans, die die Spiele schauten und sich ihre Helden suchten.
Selbstzweifel nagen an zonixx
Die Atmosphäre bei den Intel Friday Night Games beschreibt zonixx als speziell: "Es gab keine Hardcore-Trennung zwischen Spielern und Zuschauern – man kannte sich natürlich untereinander." Er selbst sei auch anfangs ein bisschen angeeckt mit seiner großen Klappe. "Ich mochte es einfach, den Gegnern auch mal ins Gesicht zu schreien. Je näher das Publikum war, umso besser. Das war anfangs etwas verpönt, aber meine Art ist dann irgendwann auch auf Akzeptanz gestoßen."
Die Zeit bei TBH ging zu Ende und die Spieler verteilten sich in alle Himmelsrichtungen. Wieder einmal nagten die Selbstzweifel an dem jungen E-Sportler: "Ich wollte wieder aufhören." Dann ploppte nach sechs Wochen der CS-Abstinenz in der Nacht plötzlich eine Nachricht auf zonixx‘ Bildschirm auf. Roman Ausserdorfer schrieb: "Warst du schon einmal in Südkorea?" zonixx antwortete: "Ich war maximal in Bottrop." Ausserdorfer setzte ihm dann die Deagle auf die Brust: "Wir fahren direkt los und wollen dich bei mousesports testen. Hast du Bock, bei uns ein paar Testgames mitzumachen?"

Die Tür zu einem der besten CS-Teams der damaligen Zeit öffnete sich unerwartet für zonixx. Neben ALTERNATE aTTaX war mouz das einzige Team, das seine Gedanken ans Aufhören begraben konnte: "Ich war wirklich aufgeregt", sagt zonixx.
"Ich habe in den Testspielen bei mouz okay gespielt, aber sicherlich nicht mein bestes CS gezeigt." Ausschlaggebend für die Verpflichtung sei neben seinem Können die menschliche Komponente gewesen. zonixx passte als Lautsprecher und leidenschaftlicher Gamer aus dem Ruhrgebiet bestens in das Gefüge des Teams. Kurz darauf ging es in die südkoreanische Hauptsadt Seoul zu den World eSports Games: e-Stars 2011.
Am Ziel der Träume
"Die Zeit bei mousesports war mein Highlight der 1.6-Ära", sagt zonixx. Ab dem 15. Juli 2011 war er offizieller Teil des Lineups der deutschen Organisation. Neben gob b und roman spielten zu Beginn Finn "karrigan" Andersen und Thanh "ninja" Vinh Bui im Team.
Mit 20 Jahren war zonixx am Ziel seiner Träume angekommen: Aktiv beim deutschen CS-Topteam mouz und Spiele gegen die Besten der Welt. Der Weg dahin steckte voller Arbeit, Fleiß und Entbehrungen: "Ich habe das geschafft, weil ich bis zu 15 Stunden täglich trainiert habe. Das alles war nötig, um das Level für mousesports zu erreichen." Verbunden war das mit Akribie und dem steten Studium des Gameplays: "Ich habe CS-Movies geschaut, Wallbangs geübt und einfach alles aufgesogen, was mich zu einem besseren Spieler machen konnte."
"Das mechanische Spiel habe ich einfach durch das ständige Zocken verfeinert. Taktisch habe ich zu Beginn intuitiv gespielt." Als Spieler glänzte zonixx als Rifler und Lurker. Seine bevorzugten Waffen waren die AK-47 und die Desert Eagle – auf der CT-Seite dann das M4. "Aber sowie ich die Gelegenheit bekam, schnappte ich mir auch als Counter-Terrorist die AK-47." Eine weitere wichtige Fähigkeit sei das Ausblenden von Nervosität gewesen: "Ich habe das zu Spielbeginn kurz wahrgenommen, dann war es komplett weg."
Im neuen Team mousesports allerdings folgte eine Revision seines Gameplays unter dem deutschen CS-Mastermind gob b. "Ich habe bei mouz erstmals richtig bewusst CS gespielt. Da ging es nicht mehr einfach ums Umschießen, sondern es wurde viel mehr Wert auf sämtliche Aspekte der Taktik gelegt."
Ich dachte, ich bin krass
Ingame-Leader gob b brachte zonixx überzeugend seine Sichtweise des Spiels bei. Training und Analyse waren der Schlüssel zu einer Neuausrichtung: "gob b hat gefordert, ich solle meinen Kopf einschalten. Wir haben dann erst einmal Eins-gegen-eins gegeneinander gespielt. Ich dachte natürlich: 'Ich bin krass.' Aber während des Spiels hat mir gob b gezeigt, dass ich überhaupt nicht krass bin, weil ich mir vorher wenige Gedanken über das Spiel auf anderen Ebenen gemacht habe.“
Der Lerneffekt sei groß gewesen, sagt zonixx. Nun zählten nicht mehr nur Reflexe und das Fadenkreuz, sondern die Variabilität im Spiel. Das Lesen des Gegners, die eigene Positionierung und der Einsatz von Utility – all das addierte zonixx und gelangte so bei mousesports zu einem ausgereiften, individuellen Spielsystem.
Bootcamps bei mouz waren kein Zuckerschlecken, denn gob b entpuppte sich als wahrer "Drill Instructor". Michele ging folglich durch eine harte Lehrzeit: "Ich war überrascht vom Umgangston in meine Richtung und hatte anfangs tatsächlich Probleme damit. Aber bei gob b habe ich das akzeptiert, weil er in CS besser, schlauer und viel weiter war als ich. Und dann hat es mir riesigen Spaß gemacht."
Freilich war der knallharte Drill kein Dauerzustand, sondern nur die anfängliche Feuertaufe für den Youngster im Team. Das Einordnen und die Hierarchie gehörten zu mousesports' Philosophie dazu. Für zonixx war das ein weiterer Lernprozess. "Ich war als Spieler immer 'cocky', ich war teils ekelhaft und habe provoziert", sagt zonixx. Von Beginn seiner Karriere an hatte er eine große Klappe - aber es war eben auch viel dahinter.
Attitüde überzeugt mousesports
Trash Talk nennt man das im Sport. Der Zweck dahinter ist die Verunsicherung des Gegners, sodass jener nicht seine gewohnte Leistung abrufen kann. "Ich wollte in deren Kopf und das ist immer mal wieder gelungen. Als Echo kamen teils unappetitliche Bedrohungen. Aber ich hatte keine Angst, weil Bedrohung und Stress in den dreckigen Plattenbauten von Dortmund Alltag waren. Dort konnte ich mich niemals hinter meinen Worten verstecken."
Gehypt habe diese Art der Kommunikation sich und sein Team, sagt zonixx. Diese Attitüde überzeugte in gewisser Weise auch mousesports, weil der junge Wilde mit seiner Art auch die Stimmung im Team befeuern und alle anderen mitreißen konnte. Wer ihn von damals kannte oder heute noch kennt, weiß, dass zonixx nie um einen Spruch verlegen ist.
Das Teambuilding trug schnell Früchte. Schon bei seinem dritten Event, der IEM VI Global Challenge Guangzhou, hatte zonixx seinen großen Auftritt. Zwar setzte es im Finale gegen Fnatic eine 1:2-Niederlage, aber er wurde von HLTV dank seiner überragenden Leistung zum MVP des Turniers in China gekürt.
"Wir waren unter den Top drei der Welt. Wir haben gegen die Großen der Szene wie beispielsweise das starke polnische Team um NEO und TaZ gewonnen.“ Doch irgendwann kam Unruhe ins Team. Ninja wollte studieren. Dafür rückte der Däne zonic ins Team, fortan musste auf Englisch gecallt werden. Zufrieden war zonixx mit dieser Entwicklung nicht.
Aufbau einer Existenz in weiter Ferne
Spieler wie Ninja sahen sicherlich noch nicht die große Zukunft im E-Sport. Die Zweifel verflogen auch zu dieser Zeit nicht bei zonixx. Die Preisgelder waren im Vergleich zu heute sehr gering. Beispielsweise strich mouz für den zweiten Platz in Guangzhou lediglich 8.000 US-Dollar ein - in einem S-Tier-Turnier, in denen heute teils Millionenbeträge fließen.
Die 8.000 US-Dollar wurden bei mouz durch fünf Spieler geteilt. Mit den Preisgeldern wurden zum Teil auch Unkosten für die Reisen gedeckt. Dicke Gehälter kassierte zu der Zeit keiner im Quintett. Als erster deutscher Spieler bekam gob b erst im Jahr 2015 einen Vollzeit-Profivertrag bei mousesports.
Der Aufbau einer finanziellen Existenz im E-Sport lag 2011 also noch in weiter Ferne. Neben den beruflichen Zweifeln aber macht zonixx einen entscheidenden Fehler an sich fest: "Ich hatte nicht verstanden, dass man kämpfen muss, um oben zu bleiben. Meinen MVP hatte ich gewonnen. Was sollte mir schon passieren? Spielerisch war ich dann einige Zeit nicht mehr auf der Höhe."
Fast zeitgleich tauchte etwas gänzlich Neues am Horizont auf: Counter-Strike: Global Offensive. Für die gesamte Profiszene bedeutete die neue CS-Version, die im August 2012 erschien, einen Umbruch. Denn CS:GO grub der Version 1.6 zunehmend das Wasser ab. Der 2004 veröffentlichten Version Counter-Strike: Source war das noch nicht gelungen. Die Profis wechselten nun aber nach und nach zu CS:GO, das zur neuen Referenz von Counter-Strike wurde.
Neue Ziele, neue Aufgaben
Der Abschied von CS 1.6 folgte auch bei den deutschen Organisationen. Ende April 2012 schlossen sich bei mousesports die Pforten für das 1.6-Team. zonixx begann zuvor im September seine CS:GO-Karriere bei zuom. "CS:GO hat mir am Anfang nicht so viel Spaß gemacht. 1.6 ist und bleibt das schönere Spiel, weil mich das Kompetitive interessiert hat."
Die Umstellung gelang zonixx nicht von heute auf morgen: "Erst 2014 war ich wieder ernsthaft in Counter-Strike unterwegs", sagt der Dortmunder. Bei Team ALTERNATE spielte zonixx seit Juni erneut unter Ingame-Leader gob b. Aber so richtig startete Michele nicht mehr durch im Profi-Zirkus von CS:GO. Nebenbei entdeckte er als Streamer auf Twitch ein weiteres Betätigungsfeld, was ihm einen neuen Karriereweg eröffnete.

"Besonders prägende Stationen gab es dann nicht mehr in Counter-Strike: Global Offensive", sagt der 30-Jährige. Als Spieler war er unter anderem nochmals für mouz, PANTHERS Gaming oder EYES ON U auf den Servern aktiv. Seine Gamer-Passion lebte zonixx dennoch weiter aus, nur in einem etwas kleineren Rahmen. Dafür wuchs der E-Sport nebenher immer mehr und die Vielfältigkeit von zonixx' Aufgaben wie Trainer, Experte und Unternehmer.
"Die heutige Szene arbeitet unter komplett anderen Bedingungen. Wir haben einst um Mauspads gespielt, heute geht es um Millionen." Es gehört nun viel mehr dazu, um Erfolg zu haben. "Früher ging es mehr um den Skill, heute sind die Spieler anders gefordert und müssen mehr auf dem Kasten haben." Es ist ein komplexes Gebilde um die E-Sport-Profis entstanden, das viele neue Möglichkeiten bietet – aber auch eine deutlich höhere Leistungsfähigkeit fordert aufgrund des proppevollen Spielkalenders in Counter-Strike. Zudem stehen die Profis deutlich mehr in der Öffentlichkeit und werden besser vermarktet.
Erfahrungen der ersten Generation
Ausnahmetalente wie cyx oder ZywOo bringe jede Generation hervor, ist sich zonixx sicher, doch die Infrastruktur und der Anspruch an die Spieler hätten sich eben gewandelt. So ist es heute an Veteranen wie Michele Köhler, junge Spieler an dieses neue Level heranzuführen.
So schwingt auch Stolz mit, wenn er vom ersten Lineup der BIG Academy spricht, das er 2017 beim Casting und 2018 als Assistant-Coach begleitet hat. "Das war ein Weltklasse-Riecher von mir", schiebt er mit seiner typischen Ruhrpott-Schnauze hinterher. Die meisten Spieler des Academy-Quintetts sind nach der Feuertaufe im Profibereich angekommen.
Die Erfahrungen der ersten Generation der deutschen E-Sportler sind für kommende Gold wert. Denn Spieler wie zonixx haben mit all ihren Höhen und Tiefen entsprechende Lehren daraus gezogen. Michele Köhler kann diese Erkenntnisse und sein Wissen weitergeben. Wem soll man glauben, wenn nicht dem, der einst auf einem Toplevel unterwegs war?
"Die Möglichkeiten im E-Sport sind heute viel größer", sagt zonixx. Er selbst will der Szene erhalten bleiben – als Streamer, Experte und Trainer. Viele Möglichkeiten bieten sich dem Dortmunder weiterhin, der sich der Organisation BIG besonders verbunden fühlt. Für die Berliner war er bis März dieses Jahres einige Monate als Profi in VALORANT unterwegs.
In den nächsten Jahren will er das Leben mehr abseits des Internets genießen. Die Bindung zur Heimat Dortmund ist weiter ungebrochen: "Den einzigen Luxus, den ich mir erlaube, sind Freunde." Und irgendwann will er mit einer Familie auch entspannt im Garten sitzen können, das ist sein Wunsch. Zumindest in der großen Familie der E-Sportler hat Michele Köhler seit Langem schon einen festen Platz sicher – und damit hat sich einer seiner größten Träume bereits erfüllt.
Ihr habt den ersten Teil des großen zonixx-Porträts verpasst? Diesen könnt ihr hier finden.
Fotos: ESL
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